Wirtschaftslehre Wirtschaftskunde, Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre

Modern Monetary Theory einfach erklärt

Die unter dem Kürzel MMT bekannt gewordene Modern Monetary Theory gehört zum sogenannten Postkeynesianismus, also zu den Theorien, die auf die volkswirtschaftlichen Hypothesen von John Maynard Keynes (1883 – 1946) folgten. Dieser hatte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts postuliert, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage maßgebend die Produktion und die Beschäftigung bestimmt. Das lässt sich so interpretieren, dass der Staat durchaus durch Investitionen und gezielte Förderungen die Nachfrage ankurbeln soll. Darauf setzt die MMT auf. Das Handelsblatt stellt zu dieser fest, dass sie stark politisiert werde. Besonders linke Politiker würden sich demnach auf sie berufen.

Kern der Modern Monetary Theory

Die MMT wurde im Wesentlichen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von den Ökonomen Abba P. Lerner und Georg Friedrich Knapp begründet. Die beiden Wissenschaftler stellten eine Geldtheorie auf, die dem Staat für die Existenz und den Wert des Geldes die maßgebende Rolle zuweist. Über Steuern und deren Verwendung konkretisiert er sogar recht exakt den Geldwert. Randall Wray, ein jüngerer Vertreter der MMT, leitet davon ab, dass sich die Finanzpolitik von Staaten und die Geldmarktpolitik von Zentralbanken an öffentlichen Zielen orientieren müssen. Als ein sehr wichtiges öffentliches Ziel definiert Wray die Vollbeschäftigung. Darüber hinaus solle die Finanzpolitik Rezessionen, Arbeitslosigkeit, Ungleichheiten und sonstige soziale Missstände bekämpfen. Für diese Postulate hat die MMT das Geldsystem eigenständig analysiert und dabei technische Methoden wie die doppelte Buchführung angewendet. Auf dieser Basis begründet die MMT alle Zentralbankinstrumente, fiskalische Operationen und die Kreditschöpfung. Zwei Denkansätze sind zentral:

  • Theorie der endogenen Kreditschöpfung: Banken gewähren Kredite gegen Sicherheiten, greifen dabei aber nicht auf eigene Ersparnisse zurück. Dieser Ansatz negiert die Notwendigkeit, von Banken eine Eigenkapitaldecke zu fordern, die wenigstens in Teilen die eigenen Kreditrisiken absichert.
  • Theorie des Chartalismus: Der Staat bringt zunächst Geld in Umlauf. Danach „vernichtet er es durch Steuern“.

Der MMT-Autor Wynne Godley fügte der Theorie die technische Bilanzsichtweise hinzu und teilte die Wirtschaftssektoren in drei Bereiche auf:

  • staatlich
  • privat (Unternehmen und private Haushalte)
  • extern (Rest der Welt)

Rezeption der MMT

Die Theorie ist erst wenige Jahrzehnte alt und daher im Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit bislang wenig angekommen. Es finden zu ihr Fachkonferenzen statt, die letzte 2019 in Berlin. Deutsche Wissenschaftler verknüpfen die MMT mit den Politik- und Rechtswissenschaften sowie der Soziologie. Der Soziologe Aaron Sahr aus Hamburg publizierte zum „Keystroke-Kapitalismus“, die Juristin Isabel Feichtner aus Würzburg über die Verknüpfung von Geld und Recht sowie der Politikwissenschaftler Wolfgang Krumbein aus Bremen zur Staatsfinanzierung durch Zentralbanken. Die betreffenden Fragen stellen sich seit der abnormen Zinspolitik und den Anleiheaufkäufen durch die EZB und die Fed seit der Finanzkrise 2008/2009.

In den USA vertreten Protagonisten der Demokratischen Partei die MMT, die dem linken Flügel der Partei zugeordnet werden. Dazu gehören etwa Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez. Die MMT-Vertreterin Stephanie Kelton ist die wirtschaftspolitische Beraterin von Bernie Sanders. Konservative Ökonomen wie Paul Krugman kritisieren die MMT: Sie könne schlimmstenfalls zu Hyperinflation führen, wenn der Staat und/oder die Zentralbanken die Geldmenge immer mehr erhöhen.

Die deutsche gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung nennt die Theorie eine „polemische Politik für Zeiten der Depression ohne ökonomisches Fundament“. Besonders prekär sei, dass die MMT nicht herleiten können, dass sich stabile Verbraucherpreise und Vollbeschäftigung gleichzeitig realisieren lassen. Der frühere US-Finanzminister Larry Summers, immerhin ein Mitglied der Demokraten, kritisiert die MMT gar als „Voodoo-Ökonomie“. Es seien zwar einige gültige Annahmen enthalten. Diese würden jedoch die Verfechter der Theorie grotesk und über die Gesetze der Arithmetik hinaus überdehnen. Als Beispiel für das praktische Scheitern der MMT nennt Summers die gigantische Staatsverschuldung und Hyperinflation im sozialistisch geführten Venezuela. Zwar sei es berechtigt, die Fiskalpolitik effizienter gestalten zu wollen, jedoch sei die MMT hierfür das komplett falsche Instrument. Es gibt noch mehr in Teilen sehr harsche Kritik:

  • John Mauldin: Die MMT ist ein „ökonomisch unkundiger Wahnsinn“.
  • Andreas Uhlig: Es ist zutiefst beunruhigend, dass MMT-Vertreter in einer abnormen Staatsverschuldung keine Risiken entdecken können, weil schließlich die Notenbank frisches Geld drucken kann. Dies ist praktisch ein Rückschritt um 100 Jahre, denn genau so gingen die Notenbanken in den 1920er-Jahren vor, was zur extremen Hyperinflation in einigen mitteleuropäischen Staaten führte, darunter auch in Deutschland.
  • Studie der University of Chicago Booth School of Business: Kein führender Ökonom unterstützt derzeit die MMT.

Das Handelsblatt zitiert den US-Notenbankchef Jerome Powell, der die Modern Monetary Theory ohne nähere Kenntnis pauschal ablehnt. Er beruft sich auf Summers, der vor dem fürchterlichen Irrtum warnte, dass Staaten vor einem Konkurs geschützt seien – die Geschichte habe mehrfach das Gegenteil bewiesen. Allerdings warnen die Autoren des Handelsblatts vor Schwarz-Weiß-Malerei. Auch Krugman und Summers haben nämlich an anderer Stelle schon für höhere Staatsdefizite geworben, um die Wirtschaft anzukurbeln. Selbst unter Donald Trump gab es bei den Republikanern Fürsprecher einer höheren Staatsverschuldung. Der deutsche Ökonom Marcel Fratzscher positioniert sich gegen MMT, der Würzburger Professor Peter Bofinger verficht die Theorie unter Verweis auf die japanische Wirtschaft, die noch viel mehr als die EU und USA vom Anleihenkauf ihrer Zentralbank lebt.

Rechtfertigung der MMT-Vertreter

Die Vertreter der MMT kontern die Kritik. Die These der durch MMT drohenden Hyperinflation sei allein schon deshalb abwegig, weil die MMT keinesfalls ein beliebig hohes Staatsdefizit propagiert. Vielmehr solle dies genau budgetiert werden, um exakt die Ausgabenlücken zu schließen, die für eine Vollbeschäftigung erforderlich seien. Vereinfacht gesagt regt die Modern Monetary Theory an, bei höherer Arbeitslosigkeit staatliche Investitionsprogramme aufzulegen und diese über Staatsschulden zu finanzieren, bis eine annähernde Vollbeschäftigung erreicht ist. Diese Vorgehensweise soll nach den Vorstellungen der MMT-Vertreter zwei Ziele erfüllen:

  • Vollbeschäftung und damit das Eindämmen sozialen Elends
  • Aufbau einer besseren staatliche Infrastruktur, welche nachfolgend auch die Wirtschaft stützt

In Deutschland wäre Letzteres beispielsweise die Investition in die digitale Infrastruktur, die hierzulande im Weltmaßstab unterentwickelt ist, und auch in die erneuerbaren Energien.

Wenn man diese Investitionen genau steuere, so die MMT-Vertreter, würden die Beschäftigung und die Wirtschaft wachsen, ohne eine nachfrageinduzierte Inflation zu verursachen. Diese könne nur entstehen, wenn die nominalen Ausgaben in der Volkswirtschaft die produktiven Kapazitäten übersteigen würden. Eine Kritik der MMT-Vertreter richtet sich gegen falsche Zitate ihrer Theorie. So hatte der Ökonom Bert Rürup die Zentralbankgeldmengenausweitung im Zuge der Coronakrise mit der MMT zusammengebracht. Die EZB sei ganz im Sinne dieser Theorie darauf angewiesen, die EU-Wirtschaft durch niedrigere Ausgaben und höhere Steuern zu konsolidieren. Dies habe mit ihrer Theorie nichts zu tun, so MMT-Vertreter, und sei im Übrigen sachlich falsch, weil die EZB weder die Ausgaben- noch die Steuerpolitik der EU-Staaten beeinflussen könne.

Wertfreie Beurteilung der Modern Monetary Theory

Autoren des Leibniz-Informationszentrums nennen die Modern Monetary Theory eine empirische Geldtheorie mit buchhalterisch solidem Fundament. Dieses sei als methodische Grundlage für die Erkenntnisgewinnung geeignet. Rein sachlich sei unbestreitbar, dass nach der funktionalen Gestaltung der modernen Geldsysteme das moderne Geld im Grunde auf Steuergutschriften basiert, welche die jeweilige Zentralbank als Monopolistin den teilnehmenden Banken gutschreibt, wenn eine Regierung ihre Staatsausgaben erhöht. Das System funktioniere, wenn der Staat keine Schulden in Fremdwährungen habe bzw. für diese zumindest einen festen Wechselkurs garantiere. Die Regierung könne auf diese Weise ihre lenkende Rolle für Vollbeschäftigung und Preisstabilität erfüllen. Ohne fiskalpolitische Steuerung sei das gar nicht möglich. Es sei durchaus möglich, auf Basis der Modern Monetary Theory Reformvorschläge bezüglich der Geldpolitik der EU umzusetzen, sofern diese Theorie maßvoll angewendet werde.



Weiterführende Informationen

Artikel erstellt am 13.11.2021