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Helikoptergeld - das letzte Mittel der Zentralbanken in Krisenzeiten


Den Zentralbanken, wie zum Beispiel der Europäischen Zentralbank (EZB), stehen verschiedene Mittel zur Verfügung, um Einfluss auf die konjunkturelle Entwicklung zu nehmen. Die bekannteste Maßnahme sind sicherlich Veränderungen des Leitzinses, durch die Zentralbanken die Konjunktur anschieben oder bremsen möchten. Sollten die zur Verfügung stehenden Maßnahmen nicht ausreichen, wird mitunter über das sogenanntes Helikoptergeld nachgedacht.

Im folgenden Beitrag wird erläutert, worum es sich beim Helikoptergeld handelt, wie es funktioniert, was die Vor- sowie Nachteile sind und in welcher Form diese finanzielle Mittel bereits eingesetzt wurden.

Was ist Helikoptergeld?

Seinen Ursprung hat die Bezeichnung Helikoptergeld im Jahre 1996. Zu dieser Zeit machte der Wirtschaftsforscher Milton Friedman den Vorschlag, den Bürgern auf direktem Wege und ohne Bedingungen Geld auszuzahlen. Damit sollte eine bereits vorhandene Deflation bekämpft werden. Der Name Helikoptergeld kommt vom Bild des Hubschraubers, der sinnbildlich Geldscheine über die Städte "regnen" lässt.

Volkswirtschaftlich betrachtet wird mit Helikoptergeld die Ausweitung der Geldmenge bezeichnet. Es findet demzufolge eine Geldschöpfung statt. Infrage kommt Helikoptergeld ausschließlich in Situationen, in denen eine Deflation bzw. Rezession größeren Umfangs droht oder bereits vorhanden ist.

Die Maßnahme Helikoptergeld lässt sich in der Praxis auf verschiedenen Wegen durchführen, insbesondere:

  • Direkte Auszahlung an die Bürger
  • Zentralbank kauft Staatsanleihen
  • Dem Staat werden Schulden erlassen

In den meisten Fällen ist allerdings die erste Maßnahme gemeint, wenn vom Helikoptergeld gesprochen wird. In einem Satz lässt sich Helikoptergeld also so definieren, dass Zentralbanken - entweder über den Staat oder direkt an die Bürger - einen bestimmten Geldbetrag ohne Auflagen auszahlen.

Wie funktioniert das Helikoptergeld?

Geht man von der zuvor beschriebenen ersten Variante des Helikoptergeldes aus, so funktioniert dies relativ einfach. Im ersten Schritt druckt die Notenbank neues Geld. Alternatives ist dies bereits vorhanden. Im zweiten Schritt werden finanzielle Mittel an den Staat oder die Bürger direkt ausgezahlt. Man spricht in dem Zusammenhang auch von einer Geldspritze oder Geldgeschenken für die Bürger. Durch diese finanziellen Mittel soll die Konjunktur angekurbelt werden. Man erhofft sich, dass die Menschen das Geld zum Konsum nutzen. Zur Funktionsweise des Helikoptergeldes gehören insbesondere die folgenden Eigenschaften:

  1. Geld wird ohne zu erfüllende Bedingungen ausgezahlt
  2. Jeder Bürger erhält den gleichen Betrag
  3. Geld muss nicht zurückgezahlt werden

Das erste Element der Funktionsweise von Helikoptergeld, nämlich dass dieses ohne Bedingungen ausgezahlt wird, ist gleichzeitig auch einer der größten Kritikpunkte. Darauf wird in einem der folgenden Abschnitte noch näher eingegangen.

Welches Ziel wird mit dem Helikoptergeld verfolgt?

Das Helikoptergeld hat ein Hauptziel: die Konjunktur ankurbeln. Es wird gehofft, dass die Bürger dieses unerwartete Geld zu Konsumzwecken nutzen, es also ausgeben. Kontraproduktiv wäre es hingegen, wenn die Menschen das geschenkte Geld anlegen. Demnach beinhaltet das Helikoptergeld, dass der Realwirtschaft zusätzliche finanzielle Mittel zufließen. Darüber hinaus gibt es noch einige Nebenziele, die allerdings stets mit der schlechten konjunkturellen Lage verbunden sind.

In der Übersicht sind es daher die folgenden Ziele, die mit dem Helikoptergeld verfolgt werden:

  • Konjunktur ankurbeln
  • Investitionen ankurbeln
  • Kreditvergabe durch Banken ankurbeln
  • Inflation forcieren

All diese Ziele haben gemeinsam, dass eine stockende oder gar rückläufige Konjunktur unterstützt werden soll, sodass es im Idealfall einen Wirtschaftsaufschwung gibt. Darüber hinaus hat das Helikoptergeld noch ein weiteres Ziel: sowohl die Bürger als auch die Finanzmärkte zu beruhigen. Was ist der Gedanke dahinter? Insbesondere die Finanzmärkte, vor allem die Börsen, reagieren äußerst empfindlich auf eine schlechte konjunkturelle Lage. Droht gar eine Rezeption bzw. Depression, ist dies oft einhergehend mit hohen Kursverlusten an den Börsen. Das Helikoptergeld hat dann sowohl auf die Märkte als auch auf viele Bürger eine beruhigende Wirkung. Die Menschen horten (sparen) weniger Geld, sondern geben es stattdessen aus und kurbeln so den Konsum an.

Welche Vorteile hat das Helikoptergeld?

Eins vorweg: Das Helikoptergeld wird unter den Experten sehr kontrovers diskutiert und wurde in der Historie von den Zentralbanken auch nur sehr selten eingesetzt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass es sich tatsächlich um das letzte Mittel expansiver Geldpolitik handelt, weil zum Beispiel Leitzinssenkungen keinen Erfolg erzielen. Es gibt sowohl Befürworter als auch Kritiker dieser zusätzlichen finanziellen Mittel. Dies liegt unter anderem daran, dass im Vorfeld nur schwer einzuschätzen ist, ob das Helikoptergeld tatsächlich die erhoffte Wirkung erzielt.

Ein Hauptvorteil des Helikoptergeldes ist es, dass durch die Geldgeschenke an die Bürger die Kaufkraft erhöht wird. Dadurch wiederum kann im besten Fall die Wirtschaft angekurbelt werden, wenn nämlich die Menschen das Geld zu Konsumzwecken ausgeben. So lässt sich die Nachfrage sowohl nach Gütern als auch nach Dienstleistungen sehr schnell erhöhen.

Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass Menschen geschenktes Geld in der Regel schneller und leichter ausgeben wie Kapital, dass sie sich - insbesondere in Form einer Beschäftigung - erst verdienen müssen. Dazu gibt es einige Untersuchungen, die exakt dies bestätigen. Das Helikoptergeld ist zudem einfach und transparent, denn die Auszahlung an die Bürger ist an keine einzige Bedingung geknüpft.

Es gibt noch einen weiteren Vorteil des Helikoptergeldes. Dieser besteht darin, dass durch die Geldschöpfung keinerlei weitere Schuldenaufnahmen des Staates notwendig sind. Dies ist hingegen häufig der Fall, wenn Konjunkturprogramme durch Kredite finanziert werden müssen. In der Übersicht sind es die folgenden Vorteile, durch die sich Helikoptergeld auszeichnen kann:

  • Kaufkraft der Menschen wird verstärkt
  • Mehr Konsum und dadurch Ankurbeln der Wirtschaft
  • Geld wird leichter ausgegeben als verdientes Einkommen
  • Sofortiger Einfluss auf den Konsum
  • Transparent, unkompliziert und an keine Bedingung geknüpft
  • Keine neuen Schulden des Staates notwendig

Welche Nachteile hat das Helikoptergeld?

Neben den Befürwortern gibt es ebenso eine ganze Reihe Kritiker, die das Helikoptergeld und seine Wirkung skeptisch betrachten. Tatsächlich existieren einige Nachteile und Risiken, die mit dieser geldpolitischen Maßnahme seitens der Zentralbank verbunden sein können.

Ein Nachteil des Helikoptergeldes besteht darin, dass die einmal durchgeführte Maßnahme nicht wieder umkehrbar ist. Damit verbunden ist die Gefahr, dass es durch den direkten Zuflusses Geldes an die Bürger zu einer nicht gewünschten und überhöhten Inflation kommen kann. Dies wiederum würde der Zentralbank einen finanziellen Schaden zufügen.

Ein nicht unerhebliches Risiko und gleichzeitiger Nachteil des Helikoptergeldes besteht darin, dass es zu einer deutlichen Abwertung der Währung am Devisenmarkt kommen könnte. Dies wäre auf das vermehrte Drucken von Geld zurückzuführen, durch welches das Angebot steigt. Eine häufige Folge wäre dann, dass der Wert der Währung am Devisenmarkt sinkt.

Ein häufiger Kritikpunkt zum Helikoptergeld besteht darin, dass die Wirkung auf die Wirtschaft in aller Regel nur kurzfristig sei. Zudem ist auch die psychologische Wirkung nicht zu unterschätzen. Wenn die Zentralbank bedingungslos Geld an die Bürger ausgibt, könnte dies durchaus den Eindruck erwecken, dass sämtliche Wirtschaftsprobleme stets durch das Drucken von neuem Geld gelöst werden können. Dies ist definitiv nicht der Fall, kann aber leicht zu dieser Annahme führen.

Ein weiterer Nachteil des Helikoptergeldes ist die nicht geringe Gefahr, dass die Bürger das geschenkte Geld nicht ausgeben, sondern bildlich gesprochen auf ihr Sparbuch legen. Damit würde der gewünschte Effekt nicht eintreten, nämlich durch mehr Konsum die Wirtschaft anzukurbeln.

Die Nachteile des Helikoptergeldes in der Zusammenfassung:

  • Deutliche Abwertung der Währung am Devisenmarkt als Risiko
  • Wirtschaftliche Wirkung vermutlich lediglich kurzfristig
  • Es wird der Eindruck erweckt, dass Geld drucken die Lösung aller Probleme ist
  • Zahlreiche Bürger würden Geld vermutlich sparen und nicht ausgeben
  • Maßnahme lässt sich nicht umkehren

Wann und von wem wurde Helikoptergeld bereits eingesetzt?

Es gibt bisher nur sehr wenige Fälle, in denen Helikoptergeld in der Geschichte bereits zum Einsatz kam. Einen Fall gab es in der jüngeren Vergangenheit allerdings: die Finanzkrise 2018. In diesem Jahr kam das Helikoptergeld in den Vereinigten Staaten zum Einsatz. Zum damaligen Zeitpunkt erhielt jeder US-Bürger pauschal 600 Dollar. Dies entsprach einer Gesamtsumme von rund 78 Milliarden Dollar, die an die Bürger verteilt wurden. Wie Kritiker befürchteten, hatte dieses Geld allerdings nur einen sehr kurzfristigen positiven Einfluss auf das Wirtschaftswachstum der Vereinigten Staaten.

Im März/April 2020 sind es wieder die Vereinigten Staaten, die zum Helikoptergeld greifen. Anlass ist die Coronakrise, also das Verbreiten des Coronavirus über den gesamten Globus mit den zu erwartenden dramatischen Folgen für die Weltwirtschaft. Diesmal sollen die US-Bürger jeweils einen Scheck in Höhe von mindestens 1.000 Dollar erhalten. Während das Coronavirus-Krise hatte bereits zuvor Hongkong ebenfalls Helikoptergeld eingesetzt. Fast 1.200 Dollar erhielt jeder Bürger zur freien Verwendung.

Gewusst? In Wien gab es im Juni 2020 mit dem sogenannten „Schnitzel-Fünfziger“ ein ganz besonderes Helikoptergeld. Der Schnitzel-Fünfziger wurde als "Dankeschön" für die Solidarität und den Zusammenhalt während der Coronakrise verteilt und ist strenggenommen ein Gastro-Gutschein im Wert von 50 Euro.

Diskutiert wird die Zahlung auch innerhalb der Europäischen Union. So gibt es Vorschläge, dass jedem Bürger zum Beispiel seitens der Europäischen Zentralbank direkt 1.000 Euro auf sein Konto gebucht werden könnte. Zwar haben sich die deutschen Ökonomen gegen das Geldgeschenk ausgesprochen. Je nach dem weiteren Verlauf der Coronakrise und den damit verbundenen massiven Einschnitten in der Wirtschaft könnte es jedoch noch dazu kommen, dass erstmals in der Geschichte der Europäischen Union dieses Mittel genutzt wird.



Weiterführende Informationen

Artikel erstellt am 20.03.2020